Zukunft Wohnen in Südtirol
29.11.2024 |
Die Vereinigung Südtiroler Freiberufler (VSF) lud kürzlich, gemeinsam mit dem Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister (lvh.apa), sowie dem Südtiroler Baukollegium, zu einer zweitägigen Fachtagung nach Brixen ein. Dabei ging es um die Zukunft des Wohnens in Südtirol.
Die Veranstaltung fand im Gebäude der Progress Group in Brixen statt. Das Unternehmen ist regionaler Marktführer in der Produktion von Betonfertigteilen und in der Errichtung von Objekten in Betonfertigteilbauweise. Heinrich Ferretti, Direktor der VSF, hieß die Teilnehmenden herzlich willkommen.
Grußworte der Organisatoren
VSF-Präsident Peter Gliera, sprach in seinem Grußwort vom leistbaren Wohnen und über Modelle aus dem Ausland. „Leistbarer Wohnraum bleibt zentral. Mit Maßnahmen wie Wohnen mit Preisbindung, Kubaturbonus und Kurzzeitmieten wurden wichtige Schritte gesetzt. Im Dialog mit Verbänden wollen wir verstärkt auch Mietmodelle fördern, um passende Wohnmöglichkeiten für alle zu schaffen“, erklärte Gliera. Er bedankte sich auch beim lvh sowie beim Baukollegium und der Handelskammer Bozen für die Zusammenarbeit bei der Veranstaltung.
Landesrat Peter Brunner überbrachte bei seiner Ansprache die Grußworte der Landesregierung und betonte die Bedeutung von leistbarem Wohnraum. „Es ist weit mehr als ein Wahlkampfthema – die Politik hat bereits wichtige Schritte gesetzt, etwa mit der Durchführungsverordnung zum Wohnen mit Preisbindung und dem Kubaturbonus. Regelungen zu Kurzzeitmieten und Mitarbeiterwohnungen sollen im Omnibusgesetz ihren Niederschlag finden“, so der Landesrat.
„Entscheidend bleibt ein enger Dialog mit den Verbänden, um weitere Modelle zu entwickeln und neben Eigentum auch Mietlösungen stärker in den Fokus zu rücken“, erklärte Brunner.
lvh-Vizepräsident Hannes Mussak betonte die Wichtigkeit der Initiative der Tagung. „Der lvh freut sich, diese Initiative zu unterstützten. Das Handwerk ist Teil der Lösung der Wohnungsproblematik“, unterstrich Mussak.
Christian Egartner, Präsident des Baukollegiums Südtirol, erklärte, dass sich das Kollegium bereits seit seiner Gründung mit dem Thema leistbares Wohnen auseinandersetzt und diesbezüglich auch bereits zahlreiche Vorschläge eingebracht hat: „Leistbares Wohnen, sei es in Miete oder im Eigentum, ist zentral für die nachhaltige Entwicklung Südtirols.“
Der Generalsekretär der Handelskammer Bozen Alfred Aberer betonte, dass es ein Gleichgewicht für die Wirtschaftlichkeit von gewerblichen und privaten Investitionen braucht. Es muss wieder attraktiver werden, eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben als private Immobilien zu vermieten.
1. Tag - Statistische Daten und Rahmenbedingungen
Im ersten Modul ging WIFO-Direktor Georg Lun, auf statistische Daten und Rahmenbedingungen ein. Nur 28 Prozent der Fläche ist besiedelt, während die Zahl der Einpersonenhaushalte auf über 90.000 angestiegen ist. Jährlich entstehen rund 2.500 neue Wohnungen, doch der Bedarf bleibt ungebrochen. Besonders alarmierend ist der Anstieg von Nicht-Erstwohnungen um 23 Prozent seit 2011, vor allem durch die Ausweitung von Airbnb-Angeboten. In Gemeinden wie Corvara sind nur 27 Prozent der Wohnungen Erstwohnungen – ein Beispiel für die wachsende Wohnungsnot, die mittlerweile 51 Prozent der Südtiroler Bevölkerung betrifft.
WIFO-Direktor Lun sieht Lösungsansätze in der Nutzung zentraler Flächen wie Kasernenareale und im Bozner Bahnhofsviertel sowie in der stärkeren Regulierung des touristischen Wohnungsmarkts. Auch alternative Arbeitsmodelle wie Co-Working und Home-Office im ländlichen Raum könnten die Wohnraumsituation entlasten.
Paul Lintner, Bürgermeister der Gemeinde Ritten, erläuterte die Herausforderungen der Südtiroler Urbanistik und verwies auf das Landesgesetz „Raum und Landschaft“, das seit seiner erstmaligen Wahl zum Bürgermeister elfmal geändert wurde. Er betonte, dass die Schaffung neuer Wohnbauzonen einer fundierten Bedarfserhebung bedarf.
Christof Brandt, Vize-Präsident des Verbandes der Hauseigentümer, thematisierte die Gemeindeimmobiliensteuer (GIS) als mögliches Steuerungsinstrument. Die GIS könnte, so Brandt, gezielt genutzt werden, um etwa Kurzzeitvermietungen auf Langzeitvermietungen umzustellen.
Alexander Benedetti von der Südtiroler Maklervereinigung zeigte die Preisentwicklung des Wohnimmobilienmarktes auf. Der Durchschnittspreis für Mietwohnungen in Südtirol liegt zwischen 7 und 12 Euro pro Quadratmeter, während in städtischen Gebieten wie Bozen bis zu 15 Euro verlangt werden.
2. Tag - Wohnen mit Preisbindung und Inspiration aus der Schweiz
Am zweiten Tag der Veranstaltung erläuterte Thomas Hasler, Geschäftsleiter des Baukollegiums, das Konzept der Preisbindung und zog einen Vergleich zwischen dem Grundgedanken des Kollegiums von 2016 und dem jetzt vorgesehenen Konzept. Wohnungen zu einem festgelegten Höchstpreis verkaufen oder vermieten, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Kritikpunkte bleiben jedoch die Komplexität des Modells und bürokratische Hürden, die den Fortschritt verlangsamen und Kosten verursachen könnten.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen vor, dass die Wohnungen durch Rangordnungen zugewiesen, jedoch bereits im Vorfeld die gesamten verwendeten Materialien festgelegt und festgehalten werden müssen. Zudem muss eine komplexe und detaillierte Kostenkalkulation erstellt werden, welche auch kontrolliert werden muss. Gerade diese Verwaltungsprozesse sind zeitintensiv sowie bürokratisch und verursachen daher Zusatzkosten. „Doch trotz dieser Hürden sind wir überzeugt, dass das Modell Wohnen mit Preisbindung funktionieren kann“, unterstrich Hasler.
Leonhard Resch Referatsleiter vom Katholischen verband der Werktätigen (KVW) kam in seiner Analyse zu dem Schluss, dass die Wohnbauförderung Südtirols Reformbedarf habe. Längere Bearbeitungszeiten und auslaufende Sozialbindungen erschwerten den Wohnungsbau. Er schlug Maßnahmen wie eine Ausweitung auf Mietwohnungen, verlängerte Bindungen und schnellere Verfahren vor.
Referentin Stephanie Fürer präsentierte die Schweizer Wohnbaupolitik als Vorbild. In der Schweiz wird bezahlbarer Wohnraum durch Genossenschaften gefördert, die zinsgünstige Darlehen vom Staat erhalten. Dies hat insbesondere in städtischen Gebieten zu einer besseren Wohnsituation geführt. Fürer betonte die Bedeutung der Innenverdichtung, um Flächen effizienter zu nutzen, sowie Maßnahmen wie Vorkaufsrechte für Gemeinden und die Förderung altersgerechter Wohnungen.
Wohnbau als politisches und gesellschaftliches Anliegen
Die Tagung machte deutlich, dass die Herausforderungen des Wohnungsmarktes vielfältig sind – von steigenden Baukosten und knappem Bauland bis hin zur Anpassung an den Klimawandel.
Die Kombination aus innovativen Modellen wie „Wohnen mit Preisbindung“ und bewährten Strategien wie der Förderung von Genossenschaften könnte zu einer nachhaltigen Entlastung führen.
Die Botschaft ist klar: Wohnraum muss bezahlbar bleiben, und das gelingt nur durch eine enge Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Südtirol hat mit dem neuen Modell einen wichtigen Schritt gesetzt, doch der Erfolg wird davon abhängen, wie schnell und effizient die Umsetzung gelingt.
Im Bild (v.l.n.r.): Markus Lunz (Architekt), Paul Lintner (Bürgermeister), Stephanie Fürer (Bundesamt für Wohnungswesen – CH), Andreas Widmann (Rechtsanwalt), Andreas Leiter (Rechtsanwalt) – Foto © VSF
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